Erläuterung zum Verhandlungsergebniss

Wir, die Volksinitiative Tschüss Kohle, haben im Februar 2018 einen Gesetzentwurf für den Hamburger Kohleausstieg eingebracht und bis Juni 2018 über 22.000 Unterschriften dafür gesammelt. Von Dezember 2018 bis Anfang Juni 2019 verhandelten wir mit der rotgrünen Regierungskoalition um den Wortlaut des Gesetzes, Vereinbarungen zur Mitgestaltung sowie Transparenz und Kontrolle der städtischen Akteure. Am 5. Juni 2019 hat die Hamburger Bürgerschaft das Hamburger Kohleausstiegsgesetz verabschiedet. Das verabschiedete Gesetz unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten vom Gesetzentwurf, mit dem wir im Februar 2018 in die Volksinitiative gestartet sind.

Was haben wir erreicht und was nicht?

„Wir haben nicht alles Notwendige, aber Wichtiges und Neues erreicht!“

Der Kohleausstieg in der Hamburger Fernwärme ist nun Gesetz. Allerdings muss die Fernwärme erst spätestens 2030 und nicht wie von uns angestrebt 2025 komplett kohlefrei sein.

Wichtiges:
Hamburg erhält als erstes Bundesland ein gesetzlich verpflichtendes Datum für den Kohleausstieg in der Wärmeversorgung. („Wärmewendegesetz“).
Hamburg führt den Schutz des Klimas und die Unterstützung der Pariser Klimaziele als Staatsziel ein: Der Senat soll darauf hinwirken, dass in Hamburg bis 2030 die Beendigung der gesamten Energieerzeugung aus Stein- und Braunkohle (Kohleausstieg) möglich gemacht wird.
Die Einspeisung von Wärme aus dem Kohlekraftwerk Moorburg in das Fernwärmenetz wird verhindert:
So ist erstens dem städtischen Wärmeunternehmen ab dem 1.1.2020 verboten, Kohlewärme von Vattenfall oder anderen Erzeugern einzukaufen.
Zweitens wird der Bau einer Wärmeleitung vom Kohlekraftwerk Moorburg zum Fernwärmenetz verhindert, weil die Stadt ab sofort keine öffentlichen Flächen für die Verlegung von Wärmeleitungen für Kohlewärme zur Verfügung stellen darf.
Unbefriedigende Ausnahme: Letzteres soll erlaubt sein, wenn eine solche Leitung direkt und ausschließlich Industriestandorte versorgt und keine Verbindung zu anderen Wärmenetzen besteht.

Wichtiges Neues, d. h. im ersten Gesetzentwurf noch nicht enthalten:

  • die Stadt verpflichtet sich gesetzlich, den Einsatz von Kohle in der bald städtischen Fernwärme so früh und so weitgehend wie möglich zu vermeiden. Aber: Der zu Beginn der Volksinitiative geltende Plan, das Kohlekraftwerk Tiefstack 2025 in wenigen Wochen auf Gas umzurüsten, hat sich zwischenzeitlich als unmöglich herausgestellt und überholt. Jetzt bietet sich der Einstieg in erneuerbare Wärme.
  • Die konzeptionellen Arbeiten, insbesondere für den Ersatz des Kohlekraftwerks Tiefstack, sollen deshalb unverzüglich, und nicht erst wie bisher avisiert 2022, beginnen und verstärkt auf erneuerbare Wärme an Stelle von fossilem Gas setzen.
  • Aktive Mitgestaltung, Transparenz und Kontrolle sollen durch ein zivilgesellschaftliches Begleitgremium und häufige öffentliche Berichterstattung sichergestellt werden.
  • Hamburg verpflichtet alle ihre Dienststellen, den bundesdeutschen Kohleausstieg nach Möglichkeit zu beschleunigen.
  • Was war unsere Alternative?

    Bei der Entscheidung, ob das Verhandlungsergebnis einen Vorteil beinhaltet, vergleichen wir es nicht nur mit unserem ursprünglichen Gesetzentwurf, sondern wie dieser anderweitig durchgesetzt werden kann und wie er bei späterem Inkrafttretennoch wirken kann. Gegenüber der Fortsetzung der Volksinitiative mit einem Volksbegehren 2020 und einem Volksentscheid im Herbst 2021 mit dem alten Gesetzentwurf überwiegt der zeitliche Vorteil durch den unverzüglichen Beginn der konzeptionellen Arbeiten für die Ablösung des Kohlekraftwerks Tiefstack und die sofortige Pflicht zur frühestmöglichen Kohlereduktion in der gesamten Fernwärme. Weiterhin wirken die Regelungen zum Ausschluss der Moorburg-Wärme sofort.
    Angesichts der Dringlichkeit der globalen Klimakrise haben wir gegenüber einem Volksentscheid im September 2021 einen echten Zeitgewinn erreicht.
    Zudem hätte der Weg bis zum Volksentscheid an mehreren Stellen erhebliche Risiken für den Fortgang der Volksinitiative bedeutet, mit allen politischen Konsequenzen:

  • Nach Anmeldung des Volksbegehrens hätte der Senat unseren Gesetzentwurf vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht überprüfen lassen, da er Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geäußert hat. Das Verfahren hätte viel Zeit und Geld in Anspruch genommen mit dem erheblichen Risiko, dass das Volksbegehren trotzdem nicht zugelassen oder der Gesetzentwurf stark beschnitten würde. Vergangene Urteile zu Volksbegehren und das jüngste zur Volksinitiative zum Pflegenotstand lässt eine sehr rigide Auslegung der diversen Volksentscheidsregeln durch das Gericht erwarten.
  • Volksbegehren und Volksentscheid sind jeweils sehr aufwändige Schritte mit ungewissem Ausgang. Wie würde die Abstimmenden die immer kürzer werdende Frist bis zum Kohleausstieg in der Fernwärme 2025 bewerten? Durch die unbestimmte Dauer des Gerichtsverfahren war zudem nicht absehbar, wann die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren, 65.000 in nur drei Wochen, stattfinden würde, möglicherweise im Winter oder in den Ferien, ein erhebliches organisatorisches Risiko.
  • Wir hätten die ausverhandelten guten Neuerungen gegenüber unserem ersten Gesetzentwurf nicht mit ins Volksbegehren übernehmen können, da dies als zu starke Änderung gewertet worden wäre.
  • Was war unsere Legitimation?

    Der Gesetzentwurf unserer Volksinitiative wurde von 22.495 Hamburgerinnen und Hamburgern unterstützt. Daraus ergab sich die Legitimation, überhaupt in Verhandlungen einzutreten. Da wir uns mit den vielen unbekannten Unterschreibenden nicht abstimmen konnten, haben wir unseren Verhandlungsauftrag eng aus Zielen und Grenzen des Gesetzentwurfs abgeleitet.
    Unser Auftrag war, den Kohleausstieg gesetzlich zu verankern, mit folgenden Zielen unseres ersten Gesetzentwurfs:

  • Den Schutz des Klimas und die Unterstützung der Pariser Klimaziele im Hamburger Klimaschutzgesetz verankern
  • Hamburger Fernwärme im Eigentum der Stadt bis Ende 2025 kohlefrei
  • Der Senat soll auf ein Ende Kohleverbrennung bis 2030 auch in Anlagen zur Stromerzeugung, die nicht im Eigentum der Stadt sind, hinwirken
  • Wärmeauskopplung vom Kohlekraftwerk Moorburg in das Fernwärmenetz oder an weitere Industriekunden verhindern.
    • Dazu waren im ersten Gesetzentwurf:

        das Verbot, öffentliche Flächen für den Neubau von Kohlewärme-Leitungen zur Verfügung zu stellen, und
        die Einführung von Klimaschutzaspekten in das Hamburger Wegegesetz bei der Frage, ob der Neubau von Wärmeleitungen genehmigt wird oder nicht, vorgesehen.

      Wo lagen die Grenzen unseres Verhandlungsmandats?

        Die Klimakrise verlangt radikale Reaktionen und Lösungen. Als Hamburger Volksinitiative sind wir in der Radikalität aber beschränkt, denn 1. kennen wir die Bereitschaft der Unterschreibenden nicht und 2. bewegt sich eine Volksinitiative naturgemäß im Rahmen der Verfassung und der übrigen Gesetze. Wir sind Teil der Klimaschutzbewegung und konnten unseren Teil beitragen, indem wir unseren Gesetzentwurf verteidigen.
        Wir konnten die Versorgungssicherheit der Fernwärmekunden nicht ignorieren, also nicht den sofortigen Kohleausstieg oder die Abschaltung eines Kohlekraftwerks vor 2025 durchsetzen, wenn die Wärmeversorgung nicht geklärt ist . Die Versorgungssicherheit ist bundesgesetzliche Pflicht von Energieversorgungsunternehmen. Wir als Hamburger Volksinitiative können die Maßstäbe der Versorgungssicherheit nicht ändern.
        Weiterhin konnten wir nicht einfach beliebige Konsequenzen für die Fernwärmepreise oder die Wirtschaftlichkeit des Fernwärmeunternehmens verlangen. . Die „wirtschaftliche Vertretbarkeit“ war bisher schon im Hamburgischen Klimaschutzgesetz, in das sich unser Gesetz einbettet, verankert. Die Frage inwieweit Veränderungen bei Wärmepreisen, für Arbeitnehmer*innen, der finanziellen Belastungen für das Fernwärmeunternehmen oder der Einsatz von Steuergeldern für den Kohleausstieg angemessen sind, bedarf einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, die wir in den Verhandlungen nicht ersetzen können.
        Es war nicht unsere Aufgabe, den Kohleausstieg praktisch durchzuplanen, sondern das Gesetz durchzubringen. In den Verhandlungen war es nicht möglich, konkrete Maßnahmen zum schnelleren Ersatz der Kohlekraftwerke Wedel und Tiefstack oder zur frühestmöglichen Verringerung der Kohleverbrennung festzulegen, z. B. eine Änderung der Einsatzreihenfolge der bestehenden Anlagen, weil dafür weder die Zeit noch die Informationen vorlagen, um dies in der nötigen Tiefe zu bearbeiten. Auch anstehende Entscheidungen im Fernwärme-Unternehmen wie den Umgang mit dem Partikelregen aus dem Kohlekraftwerk Wedel oder dessen Ertüchtigung waren nicht Teil der Verhandlungen. Es war auch nicht unsere Aufgabe, bestehende technische Konzepte für den Ersatz der Kohlekraftwerke zu bewerten, auch nicht die Elbtrassen-Wärmeleitung oder die Nord- oder Südszenarien für den Wedelersatz.

      Wie war die Verhandlungssituation?

      Bei den Verhandlungen waren die Fraktionsvorsitzenden, energiepolitischen Sprecherinnen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen der SPD- und Grünen Fraktionen, Vertreter*innen der Behörde für Umwelt und Energie und der Senatskanzlei sowie die Vertrauenspersonen, eine Beisitzerin und die beiden Anwält*innen von Tschüss Kohle anwesend.

      Das Gesprächsklima war sachorientiert, respektvoll, offen, konzentriert, kritisch und meist freundlich, weiterhin geprägt von der Bereitschaft, die eigenen Bedenken zu erläutern und auf die Bedenken der anderen einzugehen. Die Sollbruchstellen traten nach und nach zutage und es war klar, dass keine Partei einen Kompromiss eingeht, der diese überschreitet.

      Die Verhandlungen waren stark von äußeren Faktoren geprägt:

    • Zunächst die Unsicherheit, ob die Fernwärme von Hamburg übernommen werden kann, dann die Verzögerung der Übernahme bis nach unserer Verhandlungsfrist.
    • Die mehrfache Verkündung der Umweltbehörde, dass sich aus der fortschreitenden konzeptionellen/planerischen Arbeit ergeben hat, dass der Ersatz der Fernwärme-Kohlekraftwerke voraussichtlich
      später fertiggestellt sein wird, insbesondere der Ersatz des Kohlekraftwerks Tiefstack bis 2030 angesetzt wurde.
    • Worum ging es eigentlich in den Verhandlungen?

      Es gab zwei kritische Themen für die Durchsetzung unserer Ziele: die Verfassungsgemäßheit einiger Teile unseres Gesetzentwurfs und die Einschätzung einer verlässlichen Realisierbarkeit eines Kohleausstiegs in der Fernwärme bis 2025 bzw. irgendwie gearteter Beschränkungen der Kohleverbrennung unter heutigen Rahmenbedingungen.
      Damit sich Rotgrün überhaupt auf die Logik unseres Gesetzentwurfs einließ, mussten unsere Anwält*innen zunächst detailliert unsere Auffassung der Verfassungsgemäßheit darlegen.
      In den folgenden Verhandlungsterminen ging es um folgende Fragen:

    • Wie kann der Kohleausstieg in der Fernwärme verbindlich gesetzlich verankert werden?
    • Wie kann ein glaubwürdiger kontrollierbarer Prozess zur frühestmöglichen Reduktion des Einsatzes von Kohle in der Fernwärme verankert werden?
    • Wie kann das Kohlekraftwerk Moorburg möglichst sicher aus dem Fernwärmenetz herausgehalten werden und generell von weiterer Wärmeauskopplung zu anderen Abnehmern ausgeschlossen werden?
    • Welche möglichen Entwicklungen rund um die Fernwärme/Kohleverbrennung in Hamburg sollen vom Gesetz überhaupt abgedeckt werden und wie wahrscheinlich ist deren Eintritt?
    • Was sollen die Eckpfeiler der Beteiligung sein, wie können diese jetzt verankert werden?
    • Wie wirken die Paragrafen auf das Behördenhandeln?
    • Wie drücken die Formulierungen möglichst unmissverständlich das Gewollte aus?
    • Warum sind die Änderungen am Wegerecht nicht übernommen worden?

      Beim Wegerecht gingen die Rechtsauffassungen zur Verfassungsgemäßheit so weit auseinander, dass SPD und Grüne nicht bereit waren, unsere Änderungen am Wegerecht, mit denen wir den Bau einer Wärmeleitung vom Kohlekraftwerk Moorburg zum Fernwärmenetz erschweren wollten, zu übernehmen. Dieses Ziel hatten wir im Gesetzentwurf jedoch doppelt abgesichert. Der andere Weg, das Verbot öffentliche Flächen für Kohlewärmeleitungen zur Verfügung zu stellen, ist hinreichend in das Hamburger Kohleausstiegsgesetz übernommen worden. Zudem konnten uns die Vertreter der BUE anhand von Karten der Umgebung des Kraftwerks Moorburg nachweisen, dass ein Anschluss des Kraftwerks an das Fernwärmenetz zwingend über öffentliche Flächen verläuft.

      Was hat es mit Kohlewärme aus Moorburg für Industriekunden auf sich?

      Rotgrün war es sehr wichtig, die Auskopplung von Moorburg-Wärme an Industriekunden nicht zu verbieten, da sie dies nach ihrer Aussage als ungewollte Einschränkung möglicher privatrechtlicher Verträge der ansässigen Industrie ansahen. Nach Aussage der BUE gibt es derzeit allerdings keine Bestrebungen eines Industriebetriebs, Kohlewärme aus Moorburg zu beziehen. Uns wurde versichert, dass auch die Ölwerke Schindler, für die lange Zeit sogar im Wärmekonzept der BUE eine Wärmeversorgung aus Moorburg geplant war, nun anders mit Wärme versorgt werden sollen.
      Wir haben dann immerhin noch durchsetzen können, dass öffentliche Flächen für Kohlewärmeleitungen nur dann zur Verfügung gestellt würden, wenn die Leitungen ausschließlich und direkt Industriebetriebe versorgen, also dafür keine Einrichtungen bestehender Wärmenetze berührt werden. Dies soll verhindern, dass Vattenfall über diesen Umweg doch noch einen Zugang von Moorburg an das Fernwärmenetz schafft und möglicherweise eine Durchleitung durchs Fernwärmenetz zu eigenen Kunden erzwingt.
      Wir schätzen diesen Punkt als derzeit und mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft praktisch nicht relevant und wenn, dann wesentlich weniger klimarelevant als den Rest unserer Vereinbarung, ein, sodass wir diese nicht daran scheitern ließen.

      Wie seid ihr an die Beteiligung herangegangen?

      Mit der Beteiligung wollen wir den Druck aufbauen, die Pflicht zur möglichst frühzeitigen und weitgehenden Vermeidung der Kohle in der Fernwärme auch umzusetzen. Die optimale Nutzung der Potentiale zur Kohlereduktion muss überprüfbar sein, und zwar bevor Fakten geschaffen werden.
      Gleichzeitig wollten wir eine Beteiligung schaffen, zu der die BUE und das Fernwärme-Unternehmen auch bereit sind, um gute Voraussetzungen für eine konstruktive Beteiligung zu schaffen.
      Wir haben drei Stränge der Beteiligung vorgeschlagen und durchgesetzt:

      1. ein neues zivilgesellschaftliches Beteiligungsgremium Tiefstack, das die Untersuchung möglicher Maßnahmen und die technisch-wirtschaftlich-zeitliche Konzeptarbeit für die Kohlevermeidung und den Kohleausstieg in Tiefstack und der damit verbundenen Maßnahmen im Hamburger Fernwärmesystem mitgestaltet und überwacht, bevor Entscheidungen getroffen werden, in dem allerdings nicht die politischen Diskussionen geführt werden
      2. häufige öffentliche, ausführliche Berichterstattung über den Stand der Konzeptarbeit und der Umsetzung
      3. Einbindung des Beteiligungsgremiums bei der Überprüfung, ob der komplette Kohleausstieg früher möglich ist, mit dem Ziel, das gesetzliche Datum vorzuziehen.

      Dies alles vor dem Hintergrund, dass es den öffentlich tagenden Energienetzbeirat schon gibt, in dem die gesellschaftlichen Debatten, z. B. um die Sozialverträglichkeit, geführt werden können.
      Erst nachdem im Laufe der Verhandlungen deutlich wurde, dass eine Verpflichtung auf einen Kohleausstieg vor 2030 eine Sollbruchstelle für die Regierungsfraktionen ist, gab es eine Auseinandersetzung um das Beteiligungsgremium Tiefstack, Angesichts des nahenden Endes der Verhandlungsfrist war sie zeitlich eng begrenzt. Wir wollten sicherstellen, dass die möglichst frühzeitige und weitgehende Vermeidung der Kohle überprüfbar und transparent wird. Kritische Punkte im Laufe dieser Gespräche waren:

    • Die Anzahl und gesellschaftliche Breite der Akteursgruppen, die im Gremium vertreten sein sollten. Beiden Seiten war wichtig, dass das Gremium effizient und fachlich sachorientiert arbeiten kann. Aus diesem Grund haben wir uns geeinigt, dass das Gemium maximal 10 Expert*innen umfassen soll. Gleichzeitig sollte die Zusammensetzung des Gremiums eine möglichst breite gesellschaftliche Beteiligung wiederspiegeln. Auch um die Akzeptanz geplanter Maßnahmen von Beginn an möglichst zu sichern. So werden neben der Wissenschaft Vertreter’innen zivilgesellschaftlicher Organisationen, Gewerkschaften und Unternehmensverbände vertreten sein.
    • Für uns war es wichtig, die Inhalte und Ergebnisse der Arbeit in diesem Gremium in Bezug auf die Potentiale einer weitgehenden Vermeidung von Kohle maximal öffentlich transparent darstellen zu können. Gleichzeitig ist ein hoher Grad an Vertraulichkeit wichtig, um überhaupt einen Einblick in die Potentiale und Möglichkeiten zu bekommen und diese bewerten zu können. Mit dem Satz „…soweit Vertraulichkeitsinteressen der beteiligten Unternehmen nicht beeinträchtigt werden“ konnten wir die Weitergabe von Informationen aus dem Gremium an die Öffentlichkeit sehr offen halten, da ja nur wenige spezielle Daten Vertraulichkeitsinteressen berühren werden. Insgesamt wurde deutlich, dass die Vertraulichkeit innerhalb des Gremiums ein sich entwickelnder Prozess ist.
    • Warum habt ihr nicht ein früheres Abschalten von Wedel durchgesetzt?

      Die aktuelle Auseinandersetzung, ob das künftig städtische Fernwärmeunternehmen das Kohlekraftwerk Wedel noch ertüchtigt oder wie es mit dem Partikelregen aus dem Kohlekraftwerk umgeht, ist eine wichtige, die unsere Verhandlungen jedoch überfrachtet hätte. Unser Auftrag war, den Kohleausstieg gesetzlich zu verankern, unter anderem mit dem Ziel des Kohleausstiegs in der Fernwärme bis 2025. Bis zum Ende der Verhandlungen wurde der Ersatz des Kohlekraftwerks Wedel von der Umweltbehörde vor Ende 2025 terminiert und hat also die von uns vorgeschlagene Ausstiegsfrist erfüllt. Es war auch nicht Teil unseres Mandats, den Kohleausstieg praktisch zu planen oder technische Konzepte für den Ersatz der Kohlekraftwerke zu bewerten.
      Die Stärke unseres Gesetzes ist die Pflicht zur weitgehenden und frühzeitigen Vermeidung der Kohlenutzung in der Fernwärme. Diese Pflicht umfasst auch die Planungen für den Ersatz des Kohlekraftwerks Wedel. In der Logik unseres Gesetzes sollte z. B. eine Zwischenlösung, mit der das Kraftwerk Wedel schneller abgeschaltet werden kann, geprüft werden.

      Was hat die Klimaschutzbewegung strategisch gewonnen?

      Gewonnen haben wir den glaubhaften maximalen Einsatz der Stadt und des künfig städtischen Fernwärmeunternehmens für den schnellstmöglichen Kohleausstieg in der Fernwärme. Wir haben die gesetzliche Pflicht, die Potentiale für die Vermeidung von Kohle zu nutzen. Dies gilt ab sofort, also vor 2030 und 2025. In Kombination mit der Beteiligung, der Berichterstattung und der Rechenschaftspflicht ist diese Pflicht auch überprüfbar.
      Die Transparenz durch die Berichte aus dem Beteiligungsgremium und die öffentliche Berichterstattung bietet allen Interessierten die Grundlage, um informiert über die gesellschaftlichen Konsequenzen des Kohleausstiegs zu debattieren und deren sonst so pauschale Verhinderungswirkung umzukehren, z. B. im Energienetzbeirat. Auf diese gesetzlichen Informationesrechte kann sich jede*r Interessierte und jede Klimaschutz-Organisation beziehen.
      In der gesellschaftlichen Auseinandersetzung ist dann auch die der Klimakrise angemessene Radikalität, die wir im Rahmen der Volksinitiative nicht an den Tag legen konnten, möglich und nötig, z. B. bei den Fragen zu:

    • Fernwärmepreisen und Erträgen des Fernwärmeunternehmens (Welcher Rahmen ist jeweils OK und wie kann dieser eingehalten werden? Soll Hamburg Steuergelder für den Kohleausstieg in die Hand nehmen?)
    • Auswirkungen auf Arbeitnehmmer*innen (was kann ihnen für einen beschleunigten Kohleausstieg zugemutet werden?)
    • Versorgungssicherheit (was sind angesichts der Klimakrise angemessene Maßstäbe?)
    • gesellschaftlicher Frieden (was passiert, wenn der Kohleausstieg zu lange dauert?)
    • Warum habt ihr nicht auf 2025 bestanden?

      Rotgrün war nicht bereit, einen Gesetzesantrag mit Kohleaustiegsdatum 2025 vorzulegen. Sie legten Wert darauf, dass die gesetzliche Frist technisch und planerisch sicher eingehalten werden kann. Dazu wurde ein Planungs-und Umsetzungspfad der BUE herangezogen, der den Kohleersatz der Kraftwerke Wedel und Tiefstack zeitlich strikt nacheinander abarbeitet. Danach hielt die BUE ein Kohleausstieg im Wärmebereich bis 2030 für sicher machbar, bei besonders günstem Verlauf vielleicht 2028 für möglich.
      Die Erkenntnis, dass die Stadt den Kohleausstieg in der Fernwärme unter den heutigen Rahmenbedingungen und den geltenden Planungsgrundsätzen aller Voraussicht nach nicht in sechs Jahren schaffen kann, war sehr enttäuschend.

      Unser Zieljahr 2025 bezog sich auf das Anfang 2018 von der BUE veröffentlichte Konzept eines Kohleausstiegs mit diesem Ausstiegsjahr. Dieses sah für Tiefstack eine Umrüstung auf Gas mit einer kurzen Bauzeit im Jahr 2025 vor. Dieses Vorhaben beurteilt die BUE nach weiteren Planungen nun als nicht durchführbar und ökonomisch wie ökologisch ineffizient. Alternativen für den kompletten Ersatz des Kohlekraftwerks Tiefstack lagen zum Zeitpunkt der Verhandlungen nicht vor.

      Im ursprünglichen Gesetzentwurf war der Ausstieg im Jahr 2025 auch nicht garantiert, sondern mit einer weichen „Soll“-Formulierung verbunden. Dies hätte der Stadt erlaubt, die Kohlekraftwerke auch nach 2025 weiterlaufen zu lassen, z. B. wenn die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet wäre oder der Ersatz wirtschaftlich nicht vertretbar wäre.
      Aus diesen Gründen schlossen wir, dass der Kohleausstieg in der Fernwärme mit dem alten Gesetzentwurf nicht schneller realisiert würde als mit dem neuen. Im Gegenteil hielten wir das Festhalten am Gesetzentwurf mit dem Ausstiegsjahr 2025 demokratisch für eine Unehrlichkeit gegenüber den Bürger*innen und klimapolitisch für ein gefährliches Signal der falschen Beruhigung.
      2030 als gesetzliche Frist für den Kohleausstieg in der Fernwärme werten wir auch als ein Alarmsignal, dass die Rahmenbedingungen für den Kohleausstieg und für den Klimaschutz in anderen Sektoren drastisch besser und schneller werden müssen.

      Die Stärke unseres Verhandlungsergebnisses ist das, was wir stattdessen herausgehandelt haben: Hamburg muss die sich bietenden Potentiale für die frühzeitige Vermeidung von Kohle in der Fernwärme und den Aufbau erneuerbarer Wärme nutzen. Dies gilt ab sofort, also vor 2025 und 2030 und für die Kohlekraftwerke Wedel und Tiefstack. Hamburg muss unverzüglich mit den Konzeptarbeiten für den Kohleausstieg in Tiefstack beginnen, d. h. sobald das Fernwärmeunternehmen nach der Übernahme arbeitsfähig ist, und ein zivilgesellschaftliches Gremium beteiligen. Hamburg muss spätestens 2025 überprüfen, ob der komplette Kohleausstieg vor 2030 möglich ist, das bedeutet einen dauerhaften Prüfauftrag für die Behörde. Dies bietet die Möglichkeit, dass die Bürgerschaft das Ausstiegsdatum im Gesetz entsprechend verschärft.

      Damit haben wir Ansatzpunkte, den kompletten Kohleausstieg doch deutlich vor 2030 zu schaffen, erreicht.

      Wie geht es weiter?

      Auch wenn die Volksinitiative „Tschüss Kohle“ gemäß des § 8 Volksabstimmungsgesetz seit dem 5. Juni zurückgenommen wurde, ist ihre gesellschaftspolitische Aufgabe nicht zu Ende!
      Im Gegenteil: neben der Verpflichtung einer staatlich-administrativen Umsetzung des Kohleausstiegsgesetzes ist eine treibende zivilgesellschaftliche Kraft für einen schnellstmöglichen Kohleausstieg in Hamburg unverzichtbar.

      Dazu ist erforderlich, die weitere Zusammenarbeit mit den Unterstützer*innen und Bündnispartner*innen der Volksinitiative fortzusetzen und als strategisches Netzwerk weiterzuführen. Das beschlossene Gesetz zum Kohleausstieg ist eine sinnvolle Grundlage für das zukünftige Handeln, insbesondere

      1. durch die Notwendigkeit eines unverzüglichen Beginns der konzeptionellen Arbeiten für die Ablösung des Kohlekraftwerkes Tiefstack
      2. durch Nutzung aller sich bietenden Potentiale für die frühzeitige Vermeidung von Kohle in der Fernwärme und den Aufbau erneuerbarer Wärme (d.h. auch für Wedel !),
      3. durch den sofortigen Ausschluss der Moorburg-Wärme sowie
      4. durch die neue Möglichkeit aktiver Mitgestaltung, Transparenz und Kontrolle eines einzusetzenden zivilgesellschaftlichen Begleitgremiums.

      Dies erfordert eine geeignete organisatorische Koordinierung des Kohleausstiegs-Netzwerkes. Angedacht ist die Einrichtung einer Ansprech- bzw. Kommunikationsstelle sowie die Fortsetzung der bisherigen Arbeit der Strategiegruppe rund um die Vertrauenspersonen. Zur Grundfinanzierung wollen wir einen Antrag auf entsprechende Fördermittel stellen, weitere Spendenmittel sind ebenfalls nötig.

      Als nächste Handlungsschritte ist folgendes erforderlich:

      1. Gespräche mit Unterstützer*innen und Bündnispartner*innen für eine weitere Zusammenarbeit beim Kohleausstieg in Hamburg
      2. Vorschläge und Einigung mit Umweltbehörde und Umweltausschuss der Bürgerschaft über Expert*innen für das Begleitgremium, die sowohl über fachliche Expertise und Erfahrung verfügen als auch die erforderliche gesellschaftliche Partizipation widerspiegeln
      3. Teilnahme im Begleitgremium Tiefstack, fachliche Vor- und Nachbereitung
      4. öffentliche Information über die Arbeit und Ergebnisse des Begleitgremiums, Einbezug des Kohleausstiegs-Netzwerkes
      5. Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit nach Bedarf
      6. weitere Gespräche mit Akteur*innen von Umweltbehörde und Regierungsfraktionen über die nächsten Schritte zur Umsetzung des Kohleausstiegs
      Ausgedruckt am 29.03.2024
      von https://www.tschuess-kohle.de/bgt/erlaeuterungspapier/